Die Folgen des Building Information Modeling für Bauunternehmen

von Prof. Dr. Gerhard Syben

Building Information Modeling (BIM) ist die Arbeitsweise der Zukunft in Bauunternehmen. Zwar ist die Verbreitung noch gering, die erwartete Steigerung von Planungsqualität sowie Kosten- und Terminsicherheit macht BIM jedoch attraktiv. In der Literatur sind allerdings bisher allein Ziele und ingenieurwissenschaftliche Grundlagen behandelt worden.[1] Die tatsächlichen Abläufe bei Einführung und Anwendung von BIM und die Folgen für die Arbeit in den Unternehmen stehen dagegen kaum im Blickpunkt. Jetzt liegt erstmals eine empirische Bestandsaufnahme zu „Folgen der Einführung von BIM für die Arbeit in Bauunternehmen“ vor.[2]

Danach ist die Nutzung von BIM eher anwender- als nachfragegetrieben. Politische Initiativen zur Propagierung von BIM oder Insellösungen einzelner großer Auftraggeber haben bisher nicht dazu geführt, dass Auftraggeberseite oder Planungsbüros die Anwendung von BIM in nennenswertem Umfang einfordern. Die Vorstellung, vom Auftraggeber ein Datenmodell zu bekommen ist offensichtlich noch Zukunftsmusik. Das ist nicht ohne Brisanz: wenn die Bauunternehmen sich die planerischen Grundlagen selbst erarbeiten müssen, wird eine vorausgehende Planung nicht mehr benötigt. Auch gibt es einen Zusammenhang von BIM mit Partnering-Modellen. Also ergreifen die Bauunternehmen selbst die Initiative und beschaffen sich die erforderlichen Ressourcen, vor allem Software und Kompetenz. Standardlösungen für BIM werden weder gesehen noch geschätzt, also erarbeitet sich jedes Unternehmen seinen spezifischen Weg zu BIM selbst.

BIM gilt als Instrument für qualifizierte Beschäftigte. Mit BIM nehmen die fachspezifischen analytischen und konzeptionellen Ingenieuraufgaben zu, eher routinemäßige Arbeiten werden weniger. Qualifiziertes Personal wird noch wichtiger. Benötigt werden Fachleute, die etwas vom Bauen verstehen, IT-affin sind und die Daten und Informationen auch analysieren und beurteilen können. Zugleich konzentriert BIM die Arbeit der Fachkräfte in Bauplanung und Bauleitung auf die anspruchsvollen Tätigkeiten und reduziert die Belastung. Das gibt der Bauwirtschaft die Chance, den Anschluss an die gesellschaftliche Entwicklung herzustellen und stärkt die Stellung der Bauunternehmen auf dem Arbeitsmarkt: gerade qualifizierte Beschäftigte fordern heute von den Unternehmen eine work-life-balance. Es wäre zudem ein Anreiz, sich stärker um die qualifizierten Ingenieurinnen zu bemühen, die heute immer noch zu oft aus dem Erwerbsleben ausscheiden, weil geeignete Angebote familienfreundlicher Arbeits(zeit)be­dingungen fehlen.

Bei der BIM-Einführung verfahren Unternehmen oft zweigleisig. Eine Arbeitsgruppe aus Beschäftigten mit BIM-Kompetenz treibt die Aneignung von BIM voran­. Zugleich werden jedoch die konventionellen Verfahren der Angebots- und Projektbearbeitung beibehalten, bis die Unternehmen sich in der Anwendung von BIM ausreichend sicher fühlen.

Der Schwerpunkt der Umstellung auf BIM liegt in der Angebotsbearbeitung. Aber nicht die Form der Bearbeitung der Ausschreibungsunterlagen oder die Datengrundlagen für die Preisermittlung werden anders. Sondern die Daten müssen für die Verwendung mit BIM so aufbereitet werden, dass sie automatisch mit den ermittelten Mengen verknüpft werden können. Das stellt für viele Bauunternehmen heute noch eine Herausforderung dar. Zugleich können die Informationen aus einer Datenbank abgerufen werden, ihre Übertragung wird unnötig.

Der eigentliche Wandel aber besteht darin, dass mit BIM das Bausoll zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als heute definiert wird. Von Anfang an müssen Projekte tiefer durchdacht, Bauteile konkret und detailliert beschrieben werden, weil ein Datenmodell sonst gar nicht erstellt werden kann. Der Planungsaufwand verlagert sich in frühere Projektphasen. Mit BIM könnten, wenn es darauf ankäme, Angebote erstellt werden, mit denen direkt gebaut werden kann. Organisatorische Veränderungen deuten sich für die Arbeitsvorbereitung an, die in die Angebotsbearbeitung integriert werden kann. Zugleich ändert sich eine der zentralen Aufgaben der Angebotsbearbeitung. Die Kalkulatoren müssen nicht mehr Mengen ermitteln, weil diese direkt aus dem Modell abgelesen werden können. Sie haben also mehr Zeit für das Durchdenken der Projekte. Im Detail durchgeplante, genaue und widerspruchsfreie Unterlagen kann allerdings auch ein Auftraggeber erstellen, was die Gewichte zugunsten leistungsfähiger Bauherren verschieben kann.

Da genauer geplant wird, steht der Preis mit dem Angebot fest und ist im Detail nachvollziehbar. Das hat vielfältige Folgen. Das Risiko von Zuschlägen oder Abschlägen auf einen ermittelten Angebotspreis kann sichtbar gemacht werden, ebenso die zeitlichen und finanziellen Konsequenzen von Nachtragswünschen eines Bauherrn. Nachträge, die auf fehlerhaften Ausschreibungen oder mangelnder Planungstiefe beruhen, können bei BIM nicht auftreten. Intern können Angebotsbearbeiter mit BIM besser erklären, welche Überlegungen ihren Ansätzen und Annahmen zugrunde liegen. Bauleiter können sich bei der Übergabe leichter in ein neues Projekt hineindenken.

Veränderungen stehen auch der Baustelle bevor. Bauleiter und Polier sind nicht mehr die Flexibilitätsreserve für den Ausgleich mangelnder Planungstiefe, sondern Controller der Prozesse, die die Bauproduktion steuern und Übereinstimmung mit den Planungsvorgaben sowie Fehlerfreiheit sicherstellen. BIM entlastet von Administrationsarbeit und erleichtert die Logistik.

Die neuen Arbeitsrollen, die mit BIM erwartet werden: BIM-Manager, BIM-Koordinator und BIM-Modellierer werden in den Bauunternehmen unterschiedlich bewertet. Dass es überall und zu mehreren neuen Arbeitsrollen kommt, wird eher bezweifelt. Zwar muss jemand sich um das Datenmanagement kümmern, aber nicht ein neuer Beruf und nur vereinzelt auf einer zusätzliche Arbeitsposition.

Für BIM werden neue Kompetenzen benötigt, aber baufachliche Kompetenzen bleiben die unverzichtbare Grundlage. Spezielle BIM-Kompetenz bedeutet: Wissen über den Umgang mit Daten und deren elektronische Verarbeitung, Befähigung zum Umgang mit der jeweils entsprechenden Software und zur Bedienung der Endgräte. Das gilt auch für die Baustelle und die Facharbeiter. BIM wird Bestandteil jeder Bauausbildung sein müssen. Der jetzt notwendige Kompetenzaufbau für BIM muss im Rahmen der Weiterbildung erfolgen.

Schließlich: BIM ist ein Kooperationstool. Neu ist aber nicht, dass Kooperation gefordert wird, sondern dass diese Forderung eingehalten werden muss, weil das Modell sonst nicht funktioniert.

[1] Vgl. als Beispiele: Hausknecht, Kerstin; Liebich, Thomas: BIM-Kompendium. Building Information Modeling als neue Planungsmethode. Stuttgart 2016; Przybylo, Jakob: BIM – Einstieg kompakt. Berlin-Wien-Zürich 2015

[2] Gerhard Syben: Folgen des Building Information Modeling für die Arbeit in Bauunternehmen. Bremen 2016. http://www.baq-bremen.de/images/stories/pdf/BAQ_Folgen_der_Arbeit_bei_BIM_20-11-2016.pdf. Die Studie wurde gefördert vom Bauindustrieverband Niedersachsen-Bremen.

 

Prof. Dr. Gerhard Syben hat an der Hochschule Bremen die Professur „Arbeits- und Industriesoziologie“