Wir müssen in größeren Regionen denken – Interview

Interview mit Rechtsanwalt Dr.-jur. Wolfgang Bayer, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen

 

Exzellent: Herr Dr. Bayer, Sie sind jetzt seit gut 8 Monaten alleiniger Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen. Was hat sich für Sie verändert?

Dr. Bayer: Inhaltlich hat sich eigentlich wenig verändert. Die Arbeit geht kontinuierlich weiter. Die Kooperation mit dem Kollegen Michael Sommer war ja immer eine gute und eine sehr produktive. Ich will durchaus sagen, dass man sich, nachdem ich vorher 15 Jahre alleine Hauptgeschäftsführer Bremen-Nord/Niedersachsen war, nach der Fusion ja erst auch in der Tagesarbeit aneinander gewöhnen musste.

Dr.-jur. Wolfgang. Bayer, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen e.V.

Dr.-jur. Wolfgang. Bayer, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen e.V.

Das ist nichts Negatives, aber die Abläufe waren andere. Insofern ist das jetzt eine Fortsetzung des Jobs mit einem größeren Verbandsgebiet.

Exzellent: Sie haben sich, so stellt man sich das vor, als Hauptgeschäftsführer dieses größeren Verbandes Ziele vorgenommen. Welche sind das?

Dr. Bayer: Wir müssen auf der einen Seite immer nah bei den Firmen sein. Das ist kein einfacher Programmsatz, weil mit über 275 Firmen nah an Firmen sein zu wollen, einen hohen Einsatz verlangt. Aber der ist nötig und auch angebracht. Das zweite Ziel ist, dass man immer wieder auf neue Entwicklungen eingehen muss. Auf die Tagesentwicklungen und auf die Gegebenheiten durch Europa und durch die Bundespolitik, aber auch durch die beiden Landesregierungen. Und da müssen wir immer wieder schneller, besser und präziser werden.

Exzellent: Wenn Sie, ich darf sagen, Ihren Verband betrachten, den Bauindustrieverband, was macht ihn wichtig für seine Mitglieder?

Dr. Bayer: Also zunächst ist das nicht mein Verband, sondern ich darf für einen sehr bedeutenden Bauindustrieverband arbeiten. Einer der vier größten in Deutschland. Wichtig ist, dass wir Problemlöser für die Firmen sind und sich die Firmen nicht die Frage stellen: „Wozu gibt es den Verband eigentlich?“. Es gibt genügend Themen in allen Bereichen, bei denen es eine kollektive Lösung geben muss. Darauf können sich die Firmen verlassen. Und darüber hinaus gibt es ja für individuelle Fragen ausreichend Gelegenheit, den Firmen auch diese zu beantworten.

Exzellent: Man spricht in der Öffentlichkeit von der Vielfalt der Verbände – in ihrem Angebot, in ihrem Erscheinen, in ihrer Wirkung. Was gehört für Sie zu einem modernen Verband? Was macht einen modernen Verband aus?

Dr. Bayer: Die Verbandslandschaft hat sich in den letzten Jahren eindeutig verändert und sie muss sich auch verändern. Der reine Regionalbezug oder Bundesländerbezug ist nach meiner Überzeugung entfallen. Wir müssen in größeren Wirtschaftsregionen denken und wir müssen auch – ich sagte es bereits – schneller, besser, präziser werden. Das heißt, die Firmen und unsere Ansprechpartner in der Politik, der Verwaltung usw. verlangen heute von uns präzise Antworten und keine Labereien. Und darauf muss man sich einstellen. Exzellent: Das Präsentieren der Leistungen und Möglichkeiten der Branche ist eine wichtige Aufgabe geworden. Wird es in Ihrem Verband eine – in Anführungszeichen – Marketingstelle geben?

Dr. Bayer: Also die Frage, ob Marketing, wie wir es aus den Firmen kennen, ob es eine solche Marketingstelle auch im Verband geben muss – das muss man sich sehr sorgfältig anschauen. Dr. BayerIch glaube, eine reine Marketingstelle wird sich nicht darstellen lassen. Wenn alle Mitarbeiter, die in der Firmenbetreuung unterwegs sind, wissen, wofür sie da sind und welche Ziele gesetzt werden, dann erübrigt sich so eine Stelle. Ich bin nicht der Meinung, dass man für jeden Bereich eine besondere Stelle braucht. Ich bin immer ein Freund von Querschnittsaufgaben gewesen und bin es auch nach wie vor. Denn ich glaube, dass wir mit unserer Spezialisierung auf die Bauwirtschaft, auf den Baumarkt, sowohl im sozialpolitischen als auch im wirtschaftspolitischen Bereich – und ich sage auch deutlich im europapolitischen Bereich, aber auch im Normenwesen – in den Regionen, nicht nur auf Bundesebene, immer genau wissen müssen, wofür wir da sind und was unser Job ist. Denn wenn wir das nicht wissen und dazu sozusagen die Vermittlung einer Marketingposition brauchen, dann haben wir uns schon einen Teil von den Firmen entfernt.

Exzellent: Haben sich die Möglichkeiten zur Einflussnahme bei der EU, in Brüssel, durch eine stärkere Präsenz des Bauindustrieverbandes verbessert?

Dr. Bayer: Deutschland ist in Brüssel durch eine große Zahl von Organisationen und Verbänden vertreten. Ich bin allerdings der Überzeugung, dass die Vernetzung nicht sehr gut funktioniert. Ich habe vor kurzem darüber mit der Niedersächsischen Landesregierung gesprochen. Warum wird hier, war die Frage, mit zwei Strängen gearbeitet? Es gibt die Vertretung der Niedersächsischen Landesregierung in Brüssel und wir, seitens der Bauindustrie, haben auch unsere eigenen Vertretungen. Wie andere Verbände auch. Wir diskutieren die Themen untereinander. Aber warum diskutieren wir sie nicht gemeinsam mit der Landesregierung? Die Landesregierung hat diesen Gedanken auch aufgenommen. Seitdem diskutieren wir sie zusammen mit der Region Niedersachsen. Das zeigt, dass die Arbeit eine andere Qualität bekommen hat.

Exzellent: Lassen Sie uns die wirtschaftliche Seite betrachten. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Chancen der Bauindustrie Niedersachsen-Bremen in der Zukunft?

Dr. Bayer: Wenn wir die aktuellen Themen betrachten, so gehören dazu als erstes die Hafenhinterlandverkehre – Schiene, Wasserstraße und Straße. Hier haben wir zwar Erkenntnis, aber Probleme bei der Umsetzung. Wir diskutieren jede Ausweitung von Straßen, seit 25 Jahren die Y-Trasse, den Bottleneck Bremen, das heißt jeder Container aus den Häfen muss durch den Bremer Hauptbahnhof.Dr. Bayer Die Binnenwasserstraßen leiden darunter, dass sie im Begegnungsverkehr nicht auf die Europaschiffe ausgelegt sind. Über 200 Mio. Euro sind in den Jahren 2012 und 2013 für den Wasserstraßenbau nicht ausgegeben worden. Wann wird dies geschehen? Ein zweites Zukunftsthema ist die Energiewende. Hier wird ohne konkreten Plan agiert. Der Ausstieg aus der Atomenergie, der richtig ist, ist angstgetrieben. So haben wir bis heute noch keinen konkreten Plan für die Leitungsnetze zur Stromversorgung. Diskutiert werden nur überirdische Leitungsnetze mit turmhohen Masten. Die Variante, die Gleichstromleitungen unterirdisch zu verlegen, wird mit viel zu hohen Zahlen hinterlegt und sollte realistisch geführt werden. Auch über „Power to Gas“ wird nicht diskutiert.

Exzellent: Um bauen zu können, benötigt man fachlich gute Mitarbeiter. Zurzeit wird wieder einmal der Mangel an Auszubildenden beklagt. Wie bewerten Sie die Zahl der Auszubildenden, die in die Bauberufe streben?

Dr. Bayer:  Das ist wieder einmal eine Modediskussion. Das Image der Bauwirtschaft ist deutlich besser, als wir das selbst wahrnehmen. Diejenigen, die früher immer die möglichen Kräfte für die Bauwirtschaft abgeschöpft haben, also Versicherer, Automobilunternehmen usw., benötigen heute nicht mehr so viel Personal, aus unterschiedlichen Gründen. Das heißt, die Chance, aus einem demografisch bedingten geringeren Kreis fachlich gutes Personal zu gewinnen, ist heute größer geworden und nicht geringer. Ein Auszubildender sucht sich ja letztlich nicht eine Branche, sondern eine Firma aus. Das heißt, die Unternehmen müssen entsprechend für sich werben. Dabei haben diejenigen einen Vorteil, die offen und transparent für die Bewerber sind.