Mehr Insolvenzen in 2016 erwartet – besondere Probleme in den Schwellenländern – in Deutschland weniger Insolvenzen erwartet
Der führende Kreditversicherer Euler Hermes prognostiziert in seiner aktuellen Insolvenz-Studie für 2016 eine Trendwende bei den weltweiten Fallzahlen: Erstmals nach sechs Jahren der rückläufigen Pleiten wird dieser Trend im kommenden Jahr unterbrochen. Die Volkswirte von Euler Hermes rechnen 2016 mit unveränderten Fallzahlen und weltweit rund 300.000 Insolvenzen – das ist weiterhin 3% über dem Vorkrisenniveau der Jahre 2003-2007. Ursache für diese negative Entwicklung sind vor allem die Schwellenländer – insbesondere Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die sogenannten BRICS – die mit zahlreichen Problemen kämpfen und teilweise einen starken Anstieg bei Zahlungsausfällen und Insolvenzen hinnehmen müssen.
Jedes zweite Land weltweit mit mehr Insolvenzen in 2016 – Romanze mit Schwellenländern auf Eis
„Jedes zweite Land weltweit verzeichnet nach unserer Ansicht 2016 einen Zuwachs bei den Insolvenzfällen“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Nach einer fünfjährigen Romanze, in der die Schwellenländer mit den größten globalen Wachstumsraten zu den Lieblingen vieler Investoren zählten, stoßen diese nun an ihre Grenzen. Hohe Defizite bei ihrer Leistungsbilanz, ein fragiler Privatsektor und hochpolitische Reformpläne sind oft ein perfekter Sturm, der Kapital aus dem Land fegt. Volatilität und Nervosität bei Investoren sind weitere Unwetterböen – und natürlich erheblich steigenden Kreditrisiken. Zudem sind einige der Länder durch sinkende Rohstoffpreise, eine starke Abwertung der lokalen Währung, steigende Kosten und eine drohende Zinserhöhung der US-Notenbank gleich doppelt vom Blitz getroffen. Wir erwarten 2016 deshalb in den aufstrebenden Märkten einen merklichen Anstieg der Insolvenzen. Das bedeutet auch höhere Risiken für die hiesigen Unternehmen, denn die Schwellenländer haben sich in den letzten Jahren zu einem zunehmend wichtigen Handelspartner und Absatzmarkt gemausert.“
Insolvenzentwicklung in Industrie- und Schwellenländern klafft zunehmend auseinander
Die Kluft zwischen Industrie- und Schwellenländern vertieft sich 2016, sowohl beim Zahlungsverhalten als auch bei den Insolvenztrends. In den Schwellenländern rechnet Euler Hermes 2016 mit durchschnittlich 4% mehr Insolvenzen; in der Region Asien-Pazifik sind es 10%. Hinter Negativrekordhalter China (+20% in 2016) bergen im kommenden Jahr Brasilien (+18%), Taiwan, Singapur und Hongkong (jeweils +15%), Kolumbien und Chile (jeweils +11%) sowie Südafrika und Marokko (jeweils +10%) das höchste Risiko für deutsche Exportunternehmen.
In Deutschland sinken Insolvenzen nach Ansicht des führenden Kreditversicherers um rund 2% im kommenden Jahr. Auch das restliche Westeuropa (-5% im Durchschnitt) erfreut sich rückläufiger Fallzahlen – einzig Großbritannien (+5%), Finnland (+2%), die Schweiz (+1%) schwimmen gegen den Strom; Österreich und Griechenland stagnieren auf dem Niveau von 2015. Trotz der sukzessiven Erholung in Westeuropa, verzeichnet die Region jedoch weiterhin ein gutes Drittel mehr Insolvenzen (34%) als noch vor der wirtschaftlichen Krise (2003-2007); zwei von drei Ländern liegen bei den Fallzahlen unverändert über dem damaligen Niveau. In Osteuropa führen Bulgarien (+10%) und die Türkei (+6%) im kommenden Jahr das (Negativ-)Feld bei den steigenden Insolvenzen an.
Deutschland robust – aber die wichtigsten Handelspartner kämpfen mit Insolvenzen
„Die Aussichten für Deutschland sind auf den ersten Blick relativ gut bei einem erwarteten Rückgang der Insolvenzen im kommenden Jahr um zwei Prozent“, sagte Thomas Krings, Risikovorstand bei Euler Hermes. „Allerdings ist die Entwicklung branchenübergreifend heterogen. Zudem ist in der Exportnation Deutschland kaum ein Unternehmen nur im Inland tätig – im Gegenteil. Der wichtigste Handelspartner der Deutschen, Nachbarland Frankreich, verzeichnet zwar 2016 eine leichte Erholung bei den Insolvenzen. Die Franzosen kämpfen allerdings weiterhin mit sehr hohen Fallzahlen, nicht weit entfernt von der Rekordhöhe der vergangenen Jahre.“
Risse in der chinesischen Mauer: Weltweit höchster Anstieg bei Insolvenzen – Schäden steigen
Angesichts des anhaltend hohen Preis- und Wettbewerbsdrucks führte an Wachstumsmotor China für deutsche Exporteure in den vergangenen Jahren kaum ein Weg vorbei. Das Reich der Mitte ist heute der drittwichtigste Handelspartner Deutschlands.
„Die Risiken der steigenden Abhängigkeit von China sind für die Unternehmen bereits 2015 spürbar geworden mit einer um zwei Tage* verschlechterten Zahlungsmoral chinesischer Unternehmen und einem Anstieg der Insolvenzen um ein Viertel“, sagte Krings. „Auch 2016 brauchen Exporteure gute Nerven, denn es zeigen sich Risse in der chinesischen Mauer: Die dortige Zahlungsmoral verschlechtert sich nach unserer Einschätzung um zusätzliche vier Tage* und die Insolvenzen steigen um weitere 20% – das ist der höchste erwartete Anstieg weltweit. Dies wirkt sich auf die gesamte Lieferkette aus. Wir betrachten das Exportgeschäft durchaus mit einiger Sorge. Insgesamt erwarten wir 2016 in den Schwellenländern höhere Schäden, allen voran China. Das Absicherungsbedürfnis bei deutschen Exporteuren dürfte dadurch ebenfalls steigen.“
China: Weniger Bankkredite, Ausreizen von Lieferantenkrediten bis hin zum Zahlungsverzug
Das Baugewerbe, die Metall- und Minenindustrie sind als Sektoren in China zusammen mit der einfachen Produktion (low-end manufacturing) und den exportorientierten Segmenten besonders stark von der sich verschlechternden Lage betroffen. Insgesamt wirkt sich diese jedoch branchenübergreifend negativ aus, da eine wachsende Anzahl von Unternehmen in China auf Lieferantenkredite angewiesen ist aufgrund des schwierigeren Zugangs zu Bankkrediten oder alternativen Finanzierungsmöglichkeiten. Verbreitet sind daher extrem lange Zahlungsziele sowie das Ausreizen dieser Ziele bis hin zum Zahlungsverzug. Nichtzahlungen haben sich in 2014 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Das führt in einem Teufelskreis auch zu einem Anstieg der Insolvenzfälle.
Steigende Exportrisiken für deutsche Maschinen- und Autobauer, Elektronik- und Chemiebranche
In Deutschland gehen 7% aller Ausfuhren nach China. Insbesondere die traditionell stark in China vertretenen Branchen wie Maschinenbau und Automobilindustrie spüren das wachsende Risiko nach Ansicht der Euler Hermes Volkswirte besonders. Die Automobilindustrie macht rund ein Viertel (26%) aller deutschen Exporte nach China aus, die Maschinenbauer fallen mit rund 37% sogar noch stärker ins Gewicht. Aber auch für die Chemiebranche (11% aller deutschen Ausfuhren nach China) und Elektronikunternehmen (10%) steigen die Exportrisiken durch die große Bedeutung Chinas.
Deutschland: Dienstleistungen und Handel mit den meisten Insolvenzen vor Bau und Transport
Unabhängig vom China-Effekt erwartet Euler Hermes 2016 im Dienstleistungssektor mit rund 40% aller Fälle die meisten Insolvenzen, gefolgt vom Handel (18%), dem Baugewerbe (17%), der Transportbranche (9%), Maschinenbau und sonstigen Sektoren (jeweils 8%).
Griechenland und Russland stabilisieren sich leicht – aber Unsicherheiten bleiben
„Neben der guten Entwicklung in Westeuropa und den USA erwarten wir 2016 auch in einigen anderen Ländern eine leichte Verbesserung der teilweise sehr schwierigen Situation in diesem Jahr“, sagte Krings. „In Russland war 2015 beispielsweise von einer starken Rezession und 30% mehr Pleiten geprägt. Zwar steigen die Insolvenzen nach unserer Prognose auch 2016 weiter an – mit 4% flacht sich diese Entwicklung jedoch merklich ab. Auch in Griechenland dürfte sich die Lage etwas normalisieren. Nach 15% mehr Insolvenzen in 2015 rechnen wir für das kommende Jahr derzeit mit keinem weiteren Anstieg, sondern gleichbleibenden Fallzahlen – auch wenn die politischen Unsicherheiten weiter bestehen bleiben.“
*Die Berechnungsgrundlage sind die sogenannten „Days of Sales Outstanding“ (DSO) börsennotierter Unternehmen. Die DSO sind der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und Begleichung der Forderung. In China wird sich dieser Zeitraum im Jahr 2015 um voraussichtlich zwei Tage verlängern. In 2016 rechnet Euler Hermes damit, dass sich die DSO in China um weitere vier Tage verschlechtern wird. In den meisten Industrieländern ist die DSO-Entwicklung positiv und Unternehmen bezahlen gleich schnell oder sogar schneller als im Vorjahr.