„Wer heute einen Verzicht von ÖPP oder anderen Partnerschaftsmodellen fordert, verkennt die notwendigen Veränderungen am Bau, bei denen sich gerade die Mittelständler als hochinnovativ erweisen. Sie können ihre volle Leistungsfähigkeit aber nur ausspielen, wenn sie durch alternative Beschaffungsmodelle die Möglichkeit dazu bekommen und nicht ausschließlich in einem konventionellen Preiswettbewerb antreten müssen“, erklärte Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, heute in Berlin. Hintergrund ist eine aktuell diskutierte Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zur Mittelstandbeteiligung bei ÖPP-Verkehrsprojekten, die aus Kreisen des Bauhandwerks erneut für eine Verzichtforderung von ÖPP genutzt wurde.
„Unsere mittelständischen, familiengeführten und größeren Unternehmen sind heute bereits viel weiter, als in der Öffentlichkeit bekannt. Elektrische und autonome Fahrzeuge, Drohnen, intelligente Infrastrukturen und innovative, bautechnische Lösungen sind schon heute Alltag am Bau“, betonte Babiel. Diese Potentiale würden durch die öffentliche Hand allerdings noch zu wenig genutzt. Das sei verschenktes Potential. „Die Bauindustrie tritt deshalb für eine breite Vielfalt an Partnerschaftsmodellen ein, die neben der konventionellen Fach- und Teillosvergabe zur Anwendung kommen müssen. Hierzu gehört auch ÖPP“, bemerkte Babiel. Er könne sich zudem nicht erklären, weshalb Teile des Bauhandwerks angesichts einer fortschreitenden Digitalisierung, einer stärkeren Kopplung von Planung und Bau und den großen öffentlichen Investitionsbedarfen nach wie vor jedwede neue Formen der Zusammenarbeit ablehnen.
Bezogen auf ein Gutachten der TU Braunschweig im Auftrag des Baugewerbes stellte Babiel fest, dass die Kritik an ÖPP im Kern eine Kritik an größeren bzw. Großprojekten sei. So zeige eine Unternehmensbefragung im Rahmen des Baugewerbe-Gutachtens, dass 95 % der Unternehmen aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht in der Lage wären, Autobahnteilstücke länger als 10 km, größtenteils sogar nur von maximal 5 km im Rahmen einer ARGE zu realisieren. „Dies kann den kleineren Unternehmen in keiner Weise zur Last gelegt werden. Doch soll das Ingenieur-Land Deutschland auf größere Projekte verzichten, nur weil nicht alle Unternehmen, egal ob klein oder groß, diese in Eigenregie umsetzen können?“ fügte Babiel hinzu. So würden bereits heute 98 % aller öffentlichen Straßenbauaufträge konventionell vergeben. Zudem sei aufgrund der guten Baukonjunktur aktuell mehr als genug Arbeit für alle Bauunternehmen vorhanden. „Der Bau und seine Unternehmen können sich nur weiterentwickeln, wenn Leistungs- und Innovationsfähigkeit nicht durch künstliche Begrenzungen zugunsten Einzelner ausgebremst werden. Dafür brauchen wir sowohl einen gesunden Mix an größeren und kleinen Projekten als auch eine Vielfalt an Beschaffungsmodellen“, so Babiel