Interview mit Dipl.-Ing. Thomas Echterhoff, Präsident des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen
ExOn: Die Baubranche läuft in vielen Bereichen auf Hochtouren. Das Geschäft brummt. Aber geht es der Baubranche auch gut?
Echterhoff: Es geht der Baubranche sicherlich besser als es ihr vor zehn Jahren gegangen ist. Wir hatten damals eine starke Rezession, dann die Weltwirtschaftskrise und als Folge davon etwa die Hälfte der Firmen und Arbeitsplätze verloren. Es geht uns jetzt ganz gut. Ich sage absichtlich „ganz gut“, weil die Renditen in der Bauwirtschaft, und das kann man besonders gut an den Bilanzen der großen Firmen ablesen, bei Konzernen in anderen Bereichen dazu führen würden, dass diese ihre Unternehmsteile schließen würden. Apple hat eine Umsatzrendite etwa bei 25 %, die großen Autohersteller liegen bei 10 – 15 %. Der Durchschnitt in der Bauwirtschaft liegt bei 3 – 5 %. Das ist letztlich nicht ausreichend, um auch wirklich investieren zu können.
ExOn: Überall im gewerblichen Bereich fehlen Nachwuchskräfte. Wie werden sie Nachwuchskräfte gewinnen?
Echterhoff: Wir müssen das Gesamtbild der Branche positiver gestalten. Dafür ist sehr stark der Hauptverband der Bauindustrie zuständig. Die Mitgliedsfirmen haben unterschiedliche Konzepte, um junge Mitarbeiter zu gewinnen. Wir gehen in Schulen, machen mehr Öffentlichkeitsarbeit und anderes. Das Bauen selbst können wir nur gering beeinflussen. Bessere Kleidung, bessere Unterkünfte sind aber wichtige Punkte. Aber das kostet alles Geld und auf der anderen Seite haben wir Auftraggeber, die die Gewinnerzielungsabsicht bei uns sehr kritisch sehen. Und in aller Härte, den Auftraggebern ist es ganz egal, wie die Bauarbeiter leben und arbeiten. Hauptsache ist, die Bauarbeiten werden billig eingekauft.
ExOn: Fehlende Manpower kann durch intelligenten Einsatz von Technik ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. Wie schätzen Sie diese Möglichkeiten ein?
Echterhoff: Ich glaube, dass wir schon sehr gut technisiert sind. Natürlich wird sehr viel über Digitalisierung gesprochen, was aber nicht dazu führen wird, dass wir im gewerblichen Bereich stark einsparen können. Im Vorfertigungsgrad gibt es sicherlich Möglichkeiten. Aber bis wirklich praktikable Möglichkeiten kommen, wird es sicherlich noch zehn bis 15 Jahre dauern.
ExOn: BIM ist mittlerweile der Renner auf dem Weiterbildungsmarkt. Wie stellt sich dies in der Praxis dar?
Echterhoff: BIM wird dazu führen, dass eine deutsche Unsitte, die baubegleitende Planung, wegfällt. Es wird dazu führen, dass das, was bestellt wurde, auch gebaut wird. Insofern kann dann auf der Baustelle wesentlich effizienter gearbeitet werden. Man muss also etwas mehr in die detaillierte Planung investieren, aber hat dadurch den Vorteil, dass das was geplant wurde auch dem entspricht, was gebaut wird.
ExOn: Die deutsche Infrastruktur, sowohl in ihrem Bestand als auch in ihrer Perspektive, macht einen erschreckend maroden Eindruck. Auf die Notwendigkeit von Reparatur und Neubau haben Verbände schon vor langer Zeit hingewiesen. Wieso ist die Stimme der Bauindustrie so schwach, dass die Politik darauf nicht adäquat reagiert?
Echterhoff: Weil ja alles noch ganz gut funktioniert hat. Die Pällmann-Kommission hat 2000 einen Bericht vorgelegt betreffs was für den Erhalt und bedarfsgerechten Ausbau der Infrastruktur an Mitteln notwendig ist. Den hat die Politik aber nicht verwendet. Man ist einfach auf Verschleiß gefahren. Die notwendigen Investitionen hat man zu Gunsten von Sozialausgaben zurückgefahren. Auf uns hat man nicht gehört, weil wir sicherlich zu zersplittert sind als Handwerk und Industrie. Aber auch in den eigenen Häusern hat man sich nicht gegenseitig zugehört. Auch auf die Landesämter für Straßenbau, die Tiefbauämter in den Städten usw. wurde von der Politik nicht gehört.
ExOn: Planung und Realisierung von Infrastrukturbau liegt in der öffentlichen Hand. Funktioniert die Zusammenarbeit auf einem guten Niveau?
Echterhoff: Definitiv ja. Auch wenn es in der Bauabwicklung immer mal wieder Diskussionen gibt. Aber wir haben in Deutschland das Problem, dass aus haushaltsrechtlichen Gründen immer die billigsten Lösungen genommen werden und nicht die vernünftigsten.
ExOn: Was muss besser und einfacher werden, um effizient bauen zu können?
Echterhoff: Die Planung muss besser werden. Dort muss mehr Geld investiert werden, Das geht auch in Richtung BIM. Und es muss bedarfsgerechter gebaut werden. Zudem müssen die öffentlichen Auftraggeber ihr Personal aufstocken, um zeit- und sachgerecht planen und bauen zu können.
ExOn: Zügiges Bauen hängt von zügiger Planung und Genehmigung ab. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass Genehmigungsverfahren Bauverhinderungsverfahren gleichkommen. Was muss sich hier ändern?
Echterhoff: Für Ersatzneubauten muss es einfachere Genehmigungsverfahren geben. Wir erleben jetzt, dass wegen geringer Veränderungen an einem Bauwerk neue Planfeststellungsverfahren vorgenommen werden müssen. Durch diese Überregulierung, die wir uns selbst auferlegt haben, kommen wir in Planungszeiträume, die nicht realitätsnah sind. Aber auch die Verfahrensstrukturen können optimiert werden. Also zum Beispiel, es gibt einen Plansatz und der geht hintereinander anstatt parallel an zehn Träger. Die sehr frühzeitige Bürgereinbindung ist sehr wichtig. Und das Verständnis der Bürger muss geweckt werden. Wenn man eine vernünftige Infrastruktur haben will, dann muss auch gebaut werden. Da ist wieder die Politik gefragt.
ExOn: Verbände können eine wichtige Funktion für Mitglieder und Gesellschaft haben. Voraussetzung dafür ist, dass sie mit ihren Angeboten am Puls der Zeit sind. Wie bewerten Sie die Landschaft der Bauverbände in Deutschland? Was sollte sich in NS-HB ändern?
Echterhoff: Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist zurzeit dabei, sich neu aufzustellen. Auch dort gibt es einen Generationswechsel. In Niedersachsen-Bremen haben wir jetzt einen Generationswechsel nach langen Jahren Dr. Bayer und Prof. Sommer. Wir werden die Mannschaft verjüngen und verschlanken und uns auf die wichtigen Themen konzentrieren, auf die Beratung unserer Mitglieder und die Lobbyarbeit bei der Niedersächsischen und Bremer Landesregierung. Wir werden auch das Instrument unserer Stiftung nutzen, um neue Forschungsvorhaben anzustoßen. Es gibt auch Tendenzen, regional zu fusionieren. Wir haben hier im Norden bereits eine funktionierende Arge. Vielleicht werden wir auch hier künftig enger zusammenarbeiten.