Nach dem Brückeneinsturz in Genua ist auch in Deutschland und Baden-Württemberg eine Debatte um die Sicherheit von Brücken entbrannt. Dass ein hoher Sanierungsbedarf besteht, ist jedoch längst bekannt. „Die Anforderungen an Brücken sind über die letzten Jahrzehnte durch die zunehmende Verkehrsbelastung erheblich gestiegen. Dadurch haben wir heute in Baden-Württemberg einen hohen Bedarf an Instandsetzungsmaßnahmen. Auch Ersatzneubauten sind gerade bei Großbrücken erforderlich“, betont Daniel Sander, Hauptgeschäftsführer der Ingenieurkammer Baden-Württemberg.
Laut dem Baden-Württembergischen Verkehrsministerium waren zum 1. Januar dieses Jahres 22 Brückenbauten an Autobahnen, 19 Brücken an Bundesstraßen und 22 Brücken an den Landesstraßen mit einer ungenügenden Zustandsnote von 3,5 oder schlechter bewertet worden. Diese werden in der Erhaltungsplanung priorisiert behandelt. Der Finanzierungsbedarf zur Erhaltung der Brücken liegt laut dem Ministerium zusammengefasst für Bundesautobahnen, Bundesstraßen und Landstraßen bei 100 Mio. Euro. Hier rechnet das Land zusätzlich mit einem Bedarf von 120 Mio. Euro zur Ertüchtigung von Brücken bis zum Jahr 2028.
Nach Ansicht von Experten der Ingenieurkammer Baden-Württemberg sei die Gefahr von Katastrophen wie dem Brückeneinsturz in Genua zwar gering, aber nicht auszuschließen. Doch gäbe es gesetzlich verordnete Sicherheits- und Prüfinstrumente, die solche Unfälle ausschließen sollten. „Wir haben Normen, die Prüfung und Überwachung von Ingenieurbauwerken hinsichtlich Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit regelt“, erklärt Dipl.Ing Joachim Gass, der auf Bautechnische Prüfungen und Bauwerksinstandhaltung spezialisiert ist. In dieser Norm ist geregelt, dass Brücken einer jährlichen Sichtprüfung unterzogen werden müssen und alle 6 Jahre eine eingehende Hauptprüfung des Bauwerks stattfinden muss. Jeder Hauptprüfung wiederum folgt nach 3 Jahren eine sogenannte „einfache Prüfung“. Aus besonderen Anlässen, das können etwa Überflutungen oder Orkane sein, werden Sonderprüfungen vollzogen. Schließlich können auch Prüfungen nach besonderen Vorschriften für maschinelle oder elektrische Anlagen am Bauwerk stattfinden. „Diese Prüfungen sind ein gutes Instrument, um die Sicherheit von Brücken zu gewährleisten. Die große Mehrheit der Brücken in Deutschland befindet sich in einem guten Zustand. Aber natürlich besteht immer ein Restrisiko“, so Joachim Gass.