Gegen den Trend zur Stadt

 45 % der Deutschen würden am liebsten in einer ländlichen Gemeinde wohnen

Immer noch dominiert das romantische Bild vom Leben auf dem Land, doch der ländliche Raum ist alles andere als homogen: „Die Gleichzeitigkeit ungleicher Entwicklungen, das heißt stark wachsende Ballungsräume und gleichzeitig schrumpfende Städte, Gemeinden und Dörfer, sind die Herausforderung für die Aktivitäten des Planens und Bauens in den kommenden Jahren“, sagte Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, zur Gesprächsrunde mit den Vertretern aus unterschiedlichen Verbänden und Kammern der Stadtentwicklung, Bau- und Immobilienbranche. „Ein großes Konfliktthema ist dabei die Versorgung: Rund jeder vierte Landbewohner nennt die Abwanderung von Wirtschaft, Industrie und Einzelhandel (30 %) bzw. eine schlechte oder mangelhafte Infrastruktur (z.B. Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten; 25 %) als (großes) Problem. Das ergab eine repräsentative Bevölkerungsumfrage*, die wir im Oktober 2015 durch das Meinungsforschungsinstitut Ipsos durchführen ließen“, ergänzte Nagel.

Der ländliche Raum scheint jedoch, allen Unkenrufen zum Trotz, insgesamt die bevorzugte Wohngegend zu sein: Danach gefragt, wo sie – unabhängig von ihrer finanziellen Situation oder anderen Rahmenbedingungen – am liebsten wohnen würden, sagen 45 Prozent der Bürger, dass sie eine ländliche Gemeinde wählen würden. Jeder Dritte (33 %) würde sich für eine Klein- oder Mittelstadt entscheiden und nur jeder Fünfte (21 %) für eine Großstadt. Besonders attraktiv ist das Wohnen auf dem Land für Personen ab 30 Jahren, die bereits in ländlichen Gegenden wohnen (79 %) und ein Einfamilienhaus besitzen (56 %). „Die viel zitierte Meinung, dass die Menschen unbedingt in großen Städten wohnen wollen, können wir mit unserer Umfrage nicht bestätigen,“ so Nagel weiter.

In der Hamburgischen Landesvertretung in Berlin fragte die Bundesstiftung am 30. November die Verbände- und Kammervertreter nach weiteren Aspekten und Themenfeldern, die bei der Erstellung des Baukulturberichts 2016/17 berücksichtigt werden sollten. Der Bericht konzentriert sich auf Mittel- und Kleinstädte sowie ländliche Räume. Er wird drei Fokusthemen haben, abgeleitet aus den drei Baukulturwerkstätten 2015 „Vitale Gemeinden“ im April in Kassel, „Infrastruktur und Landschaft“ im Juli in Regensburg und „Planungskultur und Prozessqualität“ im September in Frankfurt am Main. Im Frühsommer 2016 wird der Baukulturbericht dann dem Bundeskabinett vorgelegt und vom Bundestag behandelt werden. Auf dem Konvent der Bundesstiftung Baukultur vom 3. bis 5. November 2016 wird der Bericht der Fachwelt und Öffentlichkeit vorgestellt und dort diskutiert werden.

* Ziel der Umfrage war es, Meinungen und Wahrnehmungen der Bevölkerung in Mittel- und Kleinstädten sowie ländlichen Räumen zum Thema „Baukultur“ zu evaluieren. Zwischen dem 30. September und dem 23. Oktober wurden 1.200 Bürger ab 18 Jahre telefonisch zu ihren Einstellungen und ihrer Zufriedenheit im Hinblick auf die derzeitige Wohnumgebung und das soziale Zusammenleben befragt. Methodische Durchführung Ipsos Public Affairs, Berlin. Der Fragebogen wurde gemeinsam mit der Bundesstiftung Baukultur entwickelt.