Was sich hinter den Begrifflichkeiten öffentlicher Ausschreibungen verbirgt

Bewerber scheitern oftmals an den fachspezifischen Begriffen – von Angemessenheit des Angebots bis Vergabeunterlagen – erläutert von Dr. Alexander Seyferth von der DTAD Deutscher Auftragsdienst AG

Urheberrecht: kebox / 123RF Stockfoto

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Sowohl bei gewerblichen als auch privaten Anbietern werden Ausschreibungen immer beliebter, um anstehende Investitionskosten zu minimieren. Der öffentliche Sektor ist dagegen grundsätzlich verpflichtet, seine Aufträge öffentlich auszuschreiben, um Chancengleichheit zu wahren. Der Ausschreibungsmarkt weist in Deutschland inzwischen einen Wert von über 400 Mrd. Euro auf, der europäische sogar über 1.800 Mrd. Euro. Die Teilnahme an Ausschreibungsverfahren ist damit sehr lukrativ, hält aber auch einige Tücken bereit. Eine Stolperfalle direkt zu Beginn sind die ausschreibungsspezifischen Begrifflichkeiten. Um erfolgreich an einer Ausschreibung teilzunehmen, sollten Bewerber beziehungsweise Bieter hier Klarheit schaffen. Der Experte für öffentliche Ausschreibungen von der DTAD Deutscher Auftragsdienst AG, Dr. Alexander Seyferth, erläutert die gängigsten und wichtigsten Begriffe, um jede Ausschreibung verstehen zu können.

Angemessenheit des Angebots

Auftraggeber dürfen bei Ausschreibungen Informationen über die Angemessenheit des Angebots einholen, bevor sie den Zuschlag erteilen. Diese sollte für Teilleistungen grundsätzlich nicht für sich, sondern im Rahmen der Angebotssumme beurteilt werden. Ist jedoch erkennbar, dass die einzelnen Preise für Teilleistungen unangemessen sind, sollte der Auftraggeber Einsicht in die Kalkulation bzw. Preisermittlungsunterlagen nehmen. Es ist deshalb wichtig, bei der Beurteilung der Angemessenheit auch die Wirtschaftlichkeit des Bauverfahrens, die gewählten technischen Lösungen oder sonstige günstige Ausführungsbedingungen zu berücksichtigen. Der Zuschlag für den Auftrag wird mit Bezug auf § 16 Abs. 6, Nr. 1 VOB, Teil A und in Hinblick auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Es geht dabei jedoch nicht darum, stets das niedrigste Angebot abzugeben. Vielmehr kann es passieren, dass der Bieter mit einem sehr geringen Angebot, eine Aufklärung in Textform über die Kalkulationsgrundlagen erteilen muss, um innerhalb einer Frist Klarheit über das Angebot zu schaffen.

Sollte es dem Bieter nicht möglich sein, sein Angebot ausreichend zu begründen, geht der Auftraggeber davon aus, dass dieser die Leistungen nicht unter Berücksichtigung der Anforderungen bzw. der Einhaltung der Vorschriften und Gesetze durchführen kann. „Grundsätzlich soll die Regelung verhindern, dass Unternehmen mit Dumpinglöhnen, gesetzeswidrigen Arbeitszeiten und minderwertigem Material Ausschreibungen für sich entscheiden“, erklärt Dr. Alexander Seyferth.

Leistungsbeschreibung 

Mit Hilfe der Leistungsbeschreibung, die von den Auftraggebern veröffentlicht werden, sollen Leistungen eindeutig, vollständig, technisch richtig sowie erschöpfend dargestellt werden. So können die Bieter ihre Preise sicher kalkulieren, ohne erhebliche Vorarbeiten zu tätigen. Hauptleistungen sind dabei in Eigenschaft, Funktion und Qualitätsmerkmalen zu definieren. Preisbeeinflussende Umstände sollten vom Bieter miteinbezogen werden. Diese Leistungsbeschreibung kann aus einem Leistungsverzeichnis oder einem Leistungsprogramm bestehen.

Die am häufigsten angewendete Methode ist die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis. Die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, die sogenannte „Funktionale Leistungsbeschreibung“, kommt eher selten zur Anwendung. „Insbesondere im Hinblick auf die Kalkulation ist es essentiell, dass jeder Bieter die Leistungsbeschreibung im gleichen Sinne versteht und diese als Grundlage benutzt. Sollte etwas unklar sein, sollte man sich deshalb direkt mit einer Bieterfrage an die Vergabestelle wenden. So können Unklarheit über die Leistungsbeschreibung aus dem Weg geräumt und gleichzeitig eine engere Bindung zur Vergabestelle aufgebaut werden“, rät der Experte.

Präqualifizierung

Unternehmen, die an Ausschreibungen teilnehmen möchten, können sich einmal im Jahr bei sogenannten Präqualifizierungsstellen zertifizieren lassen. Für Bauaufträge ist dies die PQ Bau, für Aufträge aus Lieferungen und Leistungen die PQ-VOL. Diese Präqualifizierung kann dazu beitragen, dass das Risiko, aufgrund von formalen Gründen ausgeschlossen zu werden, minimiert wird. Dazu unterziehen Unternehmen sich einer „allgemeinen Eignungsprüfung“, die allerdings unabhängig von der eigentlichen Ausschreibung durchgeführt wird.

Einzelne Nachweise zur Sachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bilden die Grundlage, um sich bei der entsprechenden Präqualifizierungsstelle um eine Zertifizierung zu bewerben. War diese Präqualifizierung erfolgreich, kann das Unternehmen den Nachweis einer Mitgliedschaft im Rahmen der Bewerbung anführen. „Für Vergabestellen signalisiert diese Präqualifizierung Seriosität des betreffenden Unternehmens. Gleichzeitig bedeutet die Teilnahme nicht nur eine effizientere Verwaltung, die Gefahr, ausgeschlossen zu werden oder einen Eignungsnachweis nicht zu erbringen, wird dadurch ebenfalls verringert“, so Dr. Seyferth.

Schwellenwerte

Schwellenwerte sind zunächst einmal Auftragshöhen, die wiederum in europäische und nationale Schwellenwerte untergliedert werden. Bei den europäischen Schwellenwerten handelt es sich um Vorgaben der EU. Diese verpflichtet Vergabestellen in den Mitgliedsländern, Ausschreibungen nach den Vorgaben der EU durchzuführen. Dabei muss sowohl EU- als auch nationales Recht eingehalten werden. Die europäischen Schwellenwerte liegen bei 5.186.000 Euro für Bauleistungen von Auftraggebern, bei 134.000 Euro für Liefer- und Dienstleistungen, 414.000 Euro für Sektorenauftraggeber und für die restlichen Vergabestellen bei 207.000 Euro.

Im Vergleich dazu legen die nationalen Schwellenwerte fest, ob eine Vergabe freihändig, beschränkt oder öffentlich zu vergeben ist. Bis zum Jahr 2009 regelte jedes Bundesland die Schwellenwerte individuell, wodurch es keine einheitliche Regelung gab. Seitdem hat sich aber einiges getan. Mittlerweile werden bundesweite Schwellenwerte für die verschiedenen Vergabearten angewendet. Beschränkte Ausschreibungen können bei einer Nettoauftragshöhe bis zu 50.000, 100.000 oder 150.000 Euro durchgeführt werden. Dieser Wert richtet sich nach dem jeweiligen Gewerk. Der Gesamtauftragswert kann immer nur als voraussichtlicher bzw. geschätzter Wert betrachtet werden. Der wichtige Zeitraum für die Schätzung des Gesamtauftragswertes ist die Einleitung des ersten Vergabeverfahrens.

Vergabearten 

Bei der Vergabeart handelt es sich um ein Verfahren, das verwendet wird, um Angebote einzuholen und zu erteilen. Das Vergaberecht nimmt dabei folgende Unterscheidungen vor: Ausschreibungen, die über bzw. unter den Schwellenwerten liegen. Diese können wie folgt beschrieben werden:

Ausschreibung 3
Vergabeunterlagen

In der Regel bestehen die Vergabeunterlagen aus dem Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe), den Vertragsunterlagen und gegebenenfalls den Bewerbungsbedingungen. Die Regelungen hierzu sind im § 8 Abs. 1 VOL/A 2009 zu finden. In dem Vergabeverfahren nehmen die Vergabeunterlagen eine besondere Stellung ein, da der Auftragnehmer sich direkt an die Bieter wendet und ihnen die Bedingungen für die auszuführenden Leistungen mitteilt. Dabei ist bereits die Bekanntmachung einer Ausschreibung für Unternehmen von Bedeutung. Die Vergabeunterlagen beschreiben Auftrag und Anforderungen. Eine fristgerechte Abgabe ist zwingend erforderlich. Der Zahlungsnachweis, insofern die Unterlagen kostenpflichtig waren, sollte mit eingereicht werden. „Um einen Ausschluss aus dem Verfahren zu vermeiden, muss die Form eingehalten werden. Sollten Formvorschriften Teil der Vergabeunterlagen sein, ist es ratsam, diese unbedingt zu nutzen und unter keinen Umständen zu verändern. Schon kleinste Abweichungen können zum Ausschluss aus dem Verfahren führen“, so Dr. Seyferth.