Berufliche Ausbildung wird zu wenig öffentlich gemacht – Bauberufe verlangen hohe Qualität – strukturiertes und logistikorientiertes Arbeiten ist gefragt
Mit 530.000 Ausbildungsverträgen im letzten Jahr wurden so wenig Auszubildende wie noch nie für die deutsche Wirtschaft gewonnen. Die Ursache hierfür sind nicht fehlende Plätze oder Demografie. Die Nachfrage ist so gering. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass das Hauptaugenmerk der Öffentlichkeit auf Abitur und Studium gerichtet wird. Die Diskussion über die berufliche Ausbildung steht dabei ganz klar im Hintergrund. Ein anderer Grund, auf die Baubranche bezogen, mag sein, dass man mit Slogans wie „Sei schlau, geh zum Bau“ keinen Menschen mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Die Firmen können ein Lied davon singen. Dabei sind die Ausbildungsangebote hervorragend und die Qualifikationen, die notwendig sind, um einen der zahlreichen Bauausbildungsberufe ergreifen zu können, von hoher Qualität. In Deutschland gibt es etwa 180 Zentren für die Aus- und Weiterbildung in der Bauwirtschaft. Sie sind bei der SOKA-Bau gelistet und zertifiziert und bekommen entsprechende Vergütungen für ihre Ausbildungstätigkeiten. Darüber hinaus generieren sie Einnahmen aus Aufstiegsfortbildung und Schulungen. Wie umfangreich ein Angebot an Aus- und Weiterbildung sein kann, lässt sich gut am Bildungswerk der Bauindustrie Bremen-Niedersachsen darstellen. Dem Verein zur Berufsförderung der Bauwirtschaft Nord e.V. gehören die Bildungszentren Bau-ABC-Rostrup, nahe Oldenburg gelegen, ABZ Mellendorf in der Nähe von Hannover sowie die Bau-Akademie-Nord an. Sie sind für Interessenten aus ganz Deutschland offen.
Umfangreich und von Qualität
Angeboten wird die überbetriebliche Ausbildung in über 20 Berufen und darüber hinaus eine außerordentlich umfangreiche Palette von Weiterbildungen für alle Bausparten. Insgesamt werden hier über 2.000 Auszubildende und etwa 6.500 weitere Personen pro Jahr ausgebildet bzw. geschult. „Es ist für uns eine klare Vorgabe, dass wir mit unseren Aus- und Weiterbildungen einen Mehrwert für die Bauunternehmen generieren müssen. Das, was die Teilnehmer hier lernen, muss in den Betrieben sofort umsetzbar sein und Nutzen bringen“, sagt Emke Emken, Leiter der Bildungszentren. Zunächst zu den Auszubildenden, die hier in der überbetrieblichen Ausbildung betreut werden: Seit 1971 heißen sie so (nicht in der damaligen DDR) und ‚Lehrling‘ ist als umgangssprachlicher Begriff erhalten geblieben. „Ausbildung in der Bauwirtschaft heißt heute nicht mehr vormachen und nachmachen. Die Ausbildung heute verlangt selbständiges aktives Lernen und baustellenorientiertes Mitdenken“, sagt Emken. Dazu gehört sehr viel Wissen und logistisches, strukturiertes Denken und Arbeiten. Von den künftigen Facharbeitern und Gesellen wird eigenverantwortliches Handeln in praxisnahen Ausbildungssituationen erwartet.
Projekte fördern individuell
Projektaufträge sind ein hervorragendes Ausbildungsmittel, um in individuell angemessenem Tempo zu lernen. Fachthemen müssen selbstständig mittels entsprechender Literatur oder Recherche aufgearbeitet werden. Und der Umgang mit der neuesten Technik, wie GPS-gestützter Einbautechnik oder Baustellenabrechnung via Laptop und entsprechender Software oder die tägliche Kontrolle des Baustellenfortschritts via Internet gehören heute zum Berufsalltag eines Mitarbeiters auf dem Bau. „Wir müssen uns weniger nach formalen und mehr nach individuellen Qualifikationen orientieren. Dies ermöglicht dann ein Arbeiten nach dem jeweils individuellen Wissensstand. Projektarbeit ist eine hervorragende Möglichkeit hierfür“, sagt Emken. Das Ergebnis ist, dass die Auszubildenden in dem Lerntempo, das möglich ist, zum Erfolg geführt werden. Dieser Weg bringt dem Auszubildenden Erfolgserlebnisse.
Erkennen, was der Auszubildende alles kann
Es steht bei diesem Weg nicht im Vordergrund zu erkennen, was er alles nicht kann, sondern zu sehen, was er kann und dies zu verbessern. Das ist ein permanenter Prozess. Dass dann auch Dinge, die er nicht so gut beherrscht, auf einen besseren Weg als bisher gebracht werden, ist eine logische Folge. Sie hängt auch mit der Wertschätzung zusammen, die der Auszubildende durch dieses Vorgehen erfährt. Ein weiterer Effekt ist, dass man je nach individuellem Können sowohl für die weniger Guten als auch für die Besseren und Besten Förderung realisieren kann. Beides ist letztendlich wichtig. Auch dies kommt in der aktuellen Diskussion manches Mal zu kurz. Ob die Wege über Berufsfindungsmessen oder Informationsbusse, in die sich viele Jugendliche gezwängt fühlen, die richtigen sind, muss schnellstens überdacht werden. Denn dass hierdurch wirklich signifikante Zahlen von Ausbildungswilligen gewonnen werden, hat sich bisher nicht bestätigt.
Potenzialanalyse – was der Azubi wirklich kann
Ein guter Weg ist sicherlich die Berufsorientierung ab der 7. Klasse, mit Potenzialanalyse, Praxistagen usw. Hier wird erfahrbar gemacht, was Beruf bedeutet. Einmal im Grundsätzlichen, zum Beispiel, dass man tatsächlich auch arbeiten und lernen muss, aber dann auch im Detail, welche Arbeit denn Spaß und Zufriedenheit bringen könnte. Dass Geld ein Faktor ist, der von Ausbildung abhält, ist bei Lehrlingsgehältern von 1.339 € im dritten Lehrjahr eher nicht zu vermuten. Dass die Präsentation der Branche und des jeweiligen Betriebes vor Ort bei der Gewinnung von Auszubildenden eine sehr große Bedeutung haben, versteht sich von selbst. Ein cholerischer Chef wird die beste Strategie und die beste Präsentation zunichtemachen. Aber soziale Kompetenz, freundliches Miteinanderumgehen, herausfordernde und qualitativ gute Ausbildung, das sind Voraussetzungen, die Interesse wecken und Mitarbeiter gewinnen und binden. Vor allem solche, die dann tatsächlich auch in der Lage sind, Kopf und Hand zu nutzen – Eigenschaften, die die Baubranche dringend braucht.
Weiterbildung senkt Kosten
Weiterbildung umfasst ein außerordentlich umfangreiches Spektrum an Angeboten, das in der gesamten Bundesrepublik realisiert wird. In Bad Zwischenahn und Mellendorf werden fachübergreifende Themen wie auch Spezialthemen angeboten. Von der Baustellensicherung über die Qualifizierung in der Betontechnologie, von Fachseminaren über Bohr- und Energietechnik, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, die Aufstiegsfortbildung zum Geprüften Polier (Industriemeister Bautechnik), Geprüften Baumaschinen-, Brunnenbau- oder Straßenwärtermeister, Baumaschinenführerscheine, Vorarbeiter- oder Werkpolierlehrgänge, allgemeines Vertragswesen oder Abrechnung und Führen/Motivieren gibt es ein unglaublich umfassendes Programm. „Was wir anbieten, sind mit Sicherheit keine Kaffeeholer-Lehrgänge. Die Schulungen müssen bereits am nächsten Tag, wenn der Teilnehmer in seinen Betrieb zurückkehrt, fruchten. Letztlich muss sich die Effizienz des Mitarbeiters erhöhen und für das Unternehmen ein Mehrwert generiert werden“, sagt Emken. Über 6.500 Schulungsteilnehmer pro Jahr nehmen dieses Mehr an Wissen und Können in den Betrieb mit.
Ein Bagger ist nur so gut wie der Maschinist
Es ist aber immer wieder ein gutes Stück Arbeit, den in der Firma führenden Köpfen klarzumachen, dass zu einem Bagger oder Radlader auch ein bestens ausgebildeter Maschinist gehört. Der Superbagger für 500.000 € nützt relativ wenig, wenn der Maschinist damit nicht umgehen kann und die Möglichkeiten dieser Maschine nicht zu nutzen in der Lage ist. So widersprüchlich, wie das klingt, ist die Realität. Sie zeigt auf der einen Seite Unternehmen, die sehr wohl verstanden haben, dass zu technisch hochwertigen Maschinen kluge Maschinisten gehören. Es gibt aber leider auch immer noch andere, die lieber an einigen Euros für Ausbildung sparen, aber dafür zumindest einen tollen Bagger auf dem Hof stehen haben. Und das ist noch nicht einmal überspitzt beschrieben.
Partner sind mit im Boot
Um tatsächlich auch immer an der Spitze der Wissensvermittlung sein zu können, arbeiten die Bildungszentren der Bauwirtschaft mit den Spitzenfirmen beispielsweise der Baumaschinen- und Baustoffbranche oder anderer Branchen zusammen. So hat sich ein großer Pool von die Aus- und Weiterbildung unterstützenden Herstellern gebildet. Den Nutzen hat letztendlich jeder einzelne Teilnehmer, weil er wirklich auf dem Stand der Technik aus- und weitergebildet wird. „Um dies möglich zu machen, bedarf es sehr engagierter Mitarbeiter. Die haben wir zum Glück und wir haben sie auch in der nötigen Qualität. Zu den 80 Mitarbeitern, die Veranstaltungen betreuen, gehören auch eine Reihe von Diplom-Ingenieuren unterschiedlicher Ausrichtungen, sodass auch durch diese Voraussetzung beste Qualität gesichert ist“, so Emken. In Rostrup, dem größeren der beiden Ausbildungszentren, stehen auf 75.000 m² Fläche 16 Lehrwerkhallen, 550 technische Ausbildungsplätze, Ausbildungsfreiflächen, Baumaschinen-Trainingszentrum, 20 Schulungs- und Seminarräume, EDV-Schulungsanlagen, Konferenzräume, Gästehäuser mit 176 Betten und natürlich auch eine Mensa zur Verfügung. Das ABZ Mellendorf wurde im Jahr 1967 eingeweiht und zwischenzeitlich mehrfach erweitert und modernisiert, zuletzt durch eine zusätzliche Tiefbau-Trainingsfläche. Das ABZ Mellendorf befindet sich auf einem Areal von 25.000 m²; 2.600 m² Ausbildungsflächen sind überdacht und 1.500 m² Ausbildungsflächen stehen im Freigelände zur Verfügung. Es verfügt über fünf Lehrwerkhallen mit 140 Ausbildungsplätzen. Ferner stehen 16 Seminar- und Gruppenarbeitsräume mit modernen Unterrichtshilfen und Internetzugang für 400 Schulungsteilnehmer zur Verfügung. Ein Betonlabor, ein PC-Trainingszentrum und weitere gewerkespezifische Schulungs- und Demonstrationsräume dienen der Vermittlung von Spezialkenntnissen. Erwähnt sei noch, dass Mellendorf in den letzten zwei Jahren für etwa 10 Mio. € komplett renoviert und gerade in einem feierlichen Akt von Ministerpräsident Weil eröffnet wurde. Insgesamt also beste Voraussetzungen, um den attraktiven Bauberufen und den hochinteressanten, an der Spitze der Technik und des Wissens stehenden Weiterbildungsangeboten den entsprechenden Hintergrund zu bieten. Wahrgenommen werden die Angebote natürlich im norddeutschen Raum, aber darüber hinaus auch von Teilnehmern aus der gesamten Bundesrepublik. Das Wichtige und vielleicht auch Entscheidende in Gegenwart und naher Zukunft wird sein, den Interessenten diese Möglichkeiten nahezubringen. Und zwar so, dass tatsächlich Interesse geweckt wird.