Die beiden Bremer Bauverbände haben sich in die Diskussion um eine Reform des bremischen Tariftreue‐ und Vergabegesetzes eingeschaltet. In einem gemeinsamen Positionspapier haben sich der Bauindustrieverband Niedersachsen‐Bremen und der Verband baugewerblicher Unternehmer an den Bremer Senat und die Fraktionen in der Bremischen Bürgerschaft gewandt.
Aus der Sicht der unternehmerischen Praxis macht die Bauwirtschaft deutlich, an welchen Stellen es erheblichen Überarbeitungsbedarf gibt. Öffentliche Aufträge sind für viele Bauunternehmen existenziell. Diese Unternehmen brauchen einen klaren und geeigneten Rechtsrahmen, um ihre Dienstleistungen für öffentliche Auftraggeber anbieten zu können.
Ein Vorschlag ist es, durch die Vergabe öffentlicher Aufträge die Tarifbindung zu stärken. Öffentliche Auftraggeber legen bereits bei der Ausschreibung fest, welcher Tarifvertrag Anwendung finden soll. Derzeit erleben Bauunternehmen häufig, dass baunahe Gewerke öffentliche Aufträge erhalten, die aber nicht die Tariflöhne und Sozialstandards der Bauwirtschaft erfüllen müssen und damit günstiger anbieten können. Dazu erklärt Andreas Jacobsen, Geschäftsführer des Baugewerbeverbandes: „Es darf nicht sein, dass Bremen eines der weitgehendsten Tariftreuegesetze aller Bundesländer hat und sich dann in der Praxis mit dem Preisargument durch die Hintertür aus höheren Tariflöhnen zu flüchtet.“
Ein weiterer Vorschlag im Verbändepapier setzt sich mit dem Aspekt der Tarifbindung auseinander: die Prüfung der Tariftreue während der Auftragsdurchführung. Nach geltender Rechtslage können bei allen Auftragnehmern Tariftreueüberprüfungen durch die öffentlichen Auftraggeber erfolgen. Die Mitgliedschaft in einem Tarifverband zeigt jedoch bereits ein deutliches Bekenntnis zur Tariftreue. Die Bauverbände regen daher eine gesetzliche Vermutung an, dass Unternehmen, die Mitglied in einem Arbeitgeberverband sind, sich tariftreu verhalten. Die drohenden Sanktionen für Verstöße gegen das Tariftreue‐ und Vergabegesetz sind nach Ansicht der Bauverbände ebenfalls zu überarbeiten. So sollen zukünftig rechtsstaatliche Prinzipien viel stärker berücksichtigt werden, als es bisher der Fall ist. Konkret sollen Vertragsstrafen und Vergabesperren nur greifen dürfen, wenn den beteiligten Unternehmen ein Verschulden nachgewiesen wurde. Auch der mögliche Ausschluss von weiteren öffentlichen Vergaben stellt für einige hochspezialisierte Unternehmen eine existenzielle Bedrohung dar.
Seitens der bremischen Bauwirtschaft wird daher gefordert, viel stärker die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen zu prüfen. Jörn P. Makko, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Niedersachsen‐Bremen: „In diesem Zusammenhang fordern wir einen effektiven Rechtsschutz. Wenn beispielsweise ein Straßenbaubetrieb, der naturgemäß 90 Prozent seiner Aufträge mit der öffentlichen Hand macht, erst zwei Jahre auf ein Urteil warten muss, braucht er das Urteil nicht mehr. Bis dahin ist das Unternehmen insolvent.“