Interview mit Dr. Wolfgang Bayer, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Niedersachsen-Bremen
Ex-On: Ist BIM, Building Information Modeling, ein Goldesel für Berater?
Dr. Bayer: Jede neue Methode die eingeführt wird, bedarf zunächst einer Anleitung. Ich glaube nicht, dass BIM, oder allgemeiner die Digitalisierung des Bauens, ein Goldesel für Berater ist. Allerdings ist die Voraussetzung, dass sich der Unternehmer mit dieser Führungsaufgabe beschäftigt.
Ex-On: Die größten Fehlausgaben in Unternehmen und auch beim Bund finden im Bereich Informationstechnologie statt. Haben wir mit BIM ein ähnliches Problem vor uns?
Dr. Bayer: Digitalisierung in Bauunternehmen hat ja schon längst begonnen. Wenn Sie an GPS-Steuerungen denken, Zeiterfassung, Maschinendatenerfassung usw. Wenn man sich vorstellt, dass sich zwei Tunnelbohrmaschinen unter dem St. Gotthard-Massiv jeweils 29 km weit aufeinander zubewegen und sich exakt treffen. Was mit BIM jetzt kommt, ist die Zusammenfassung von mehreren Modulen zu einem Gesamtsystem. 2-D-Pläne werden zu 3-D-Plänen und diese werden mit der Zeitachse, den Lieferströmen und der Geldachse kombiniert. Das zeigt, dass wir in der Bauwirtschaft eine Revolution bekommen, die die Abläufe komplett verändern wird, ohne dass wir bei null anfangen.
Ex-On: Um BIM effektiv zu nutzen, müssen Menschen dies können und vor allem aber wollen. Wie soll die Schulung der Fachleute zur aktiven Nutzung von BIM geleistet werden?
Dr. Bayer: Zunächst gewannen wir die Erkenntnis, dass BIM die Baubranche verändern wird, wie alle anderen Wirtschaftszweige, die vor uns mit der Digitalisierung begonnen haben. Wir sind Mitgesellschafter von planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH geworden. Wir haben aus unserem Team eine Anwältin gewonnen, die sich als BIM-Professional hat ausbilden lassen. Das heißt, wir haben als Verband das Wissen erworben, das notwendig ist und bringen nun die Möglichkeiten des Einstiegs in den Transportformationsprozess mit BIM in die Fläche und zu unseren Mitgliedern. Auch mit Weiterbildungsmaßnahmen zu diesem Thema haben wir begonnen. Zum Beispiel im Bau-ABC Rostrup wollen wir in Zusammenarbeit mit der Hochschule Oldenburg Seminare anbieten.
Das Thema geht sowohl große als auch kleine Firmen an. Denn wenn ein Auftraggeber Bauen nach der BIM- Methode verlangt, berührt das alle Firmen, auch die Subunternehmen in der Produktionskette. Über Erfahrungsaustausch der Mitglieder wollen wir auch dem Netzwerkgedanken gerecht werden.
Ex-On: Wie stark wird der Vorteil durch BIM finanziell tatsächlich sein?
Dr. Bayer: Wenn ich einen Vorteil herausstellen soll, dann diesen: Ich weiß am Beginn einer Baumaßnahme konkreter, was ich zu bauen habe. Das wird durch die 3-D-Pläne deutlich. Das heißt im zweiten Schritt, ich kann genauer kalkulieren. Es wird durch BIM, insbesondere im öffentlichen Bau, die extremen Abweichungen zwischen Auftragssummen und Abrechnungssummen nicht mehr geben. Es sei denn, der Bauherr weicht mit seinen Vorstellungen von der Planung ab. BIM ist aber keine Methode, um Preise zu drücken. Durch BIM wird alles transparenter und natürlich auch effizienter werden.
Ex-On: Man hat immer wieder den Eindruck, dass öffentliche Bauvorhaben nicht unbedingt nach volkswirtschaftlicher Notwendigkeit sondern möglicherweise zum Wohlgefallen der jeweiligen Wählerschar initiiert werden. Welche Möglichkeiten brauchen wir, um in Zukunft infrastrukturelle Fehlentwicklungen wie die Desaster bei Autobahnbrücken oder Wehr- und Schleusenanlagen, in denen wir uns jetzt befinden, zu verhindern?
Dr. Bayer: Also zunächst weiß ich nicht, ob Bauvorhaben nur zum Wohl der regionalen Politiker durchgeführt werden. Alle Maßnahmen sind in intensive und umfangreiche Planungen eingebunden. Von daher sehe ich das alles sehr versachlicht und nicht personalisiert.
Ex-On: Die Probleme mit Straßen-, Schienen- und Wasserwegen haben sich über sehr viele Jahre entwickelt. Die Folgen sind heute gewaltige volkswirtschaftliche Schäden, verursacht von Politikern durch falsches Handeln. Sollte man diese in Haftung nehmen?
Dr. Bayer: Wenn man von Haftung spricht, müsste man auch von Fahrlässigkeit oder Vorsatz sprechen. Haftung setzt das voraus. Aber allen Vorhaben gehen intensive Beratungen und Bürgerbeteiligungen, Einspruchsverfahren usw. voraus, bis sie dann verwirklicht werden. Insofern kann ich mir ein in Haftung Nehmen nicht vorstellen. Letztlich würde die Rechtspraxis beweisen, dass es nicht funktionabel ist.
Ex-On: Darüber, dass die Genehmigungen für Bauvorhaben deutlich zu lange dauern, herrscht Konsens. Geändert wird es nicht. Im Gegenteil, die rechtlichen Rahmenbedingungen werden immer umfangreicher und schwieriger. Hier bedarf es eines radikalen Schnittes. Wie könnte der aussehen?
Dr. Bayer: Natürlich ist das Planen sehr verrechtlicht worden. Das führt dazu, dass wenn ein kleiner Teil der Planung nicht korrekt ist, bereits die gesamte Planung in Frage steht. Da wird man nachjustieren müssen. Ein Beispiel ist die Leverkusener Brücke über den Rhein. Die muss neu gebaut werden, weil die Tragkraft nicht mehr ausreicht. Wenn man die neue Brücke nun mit einer anderen Auf- oder Abfahrt bauen würde, bräuchte es ein neues Planfeststellungsverfahren für die gesamte Brücke. Das ist absurd. Ein anderer Punkt ist die Planungsfähigkeit der Länder. Der Freistaat Bayern hat stets genügend fertig geplante Projekte in der Schublade und kann für Bayern freigewordene Gelder auch zum Bauen nutzen. Die Niedersachsen oder die Schleswig-Holsteiner haben, unter Beteiligung der Grünen, gesagt, wir planen nur das, was auch tatsächlich gebaut werden kann. Dadurch waren oftmals keine fertig geplanten Projekte vorhanden und so sind die Gelder an diesen Ländern vorbeigelaufen. Und deswegen sind vom zweiten Konjunkturpaket nicht 273 Millionen Euro sondern nur 173 nach Niedersachsen geflossen. Das zeigt, dass Vorausschau und Vorplanung sinnvoll ist. Wenn man dies nicht macht, weil zu wenig Personal da ist oder der politische Wille fehlt, dann gibt es solche Fehlentwicklungen.
Ex-On: Man hat den Eindruck, dass es seitens der Regierungen – Bund wie Länder – für die wichtigen Themen wie Infrastruktur, Digitalisierung, Bevölkerungsentwicklung weder ein gemeinsames Konzept noch eine koordinierte Zusammenarbeit gibt. Welche Gedanken vertritt die Bauindustrie hierbei?
Dr. Bayer: Die Bauindustrie hat ja von Anfang an auf die Notwendigkeit von Infrastrukturentwicklung hingewiesen. Diese Rufe verhallten. Investition in Beton wurde diskriminiert. Nun sind plötzlich alle aufgewacht. Scheinbar haben Sozialhaushaltsaspekte die Dinge verschwimmen lassen. Offenbar haben wir in Deutschland verlernt, uns mit mittel- und langfristigen Themen zu beschäftigen. Offenbar werden nur noch kurzfristige Themen behandelt. Eine Rolle spielt auch, dass wir durch die deutsche Einheit uns sehr auf die neuen Länder konzentriert haben. Als Folge hat man vernachlässigt, die alten Ländern weiter angemessen zu unterhalten. Dazu bedarf es Mittel und Personal. Und wer sparen musste oder wollte, hat bei den Investitionen für Erhalt und Erweiterung angesetzt. Das Ergebnis sehen wir heute.