Interview mit Prof. Dr.-Ing. Hans-Heinrich Witte, Präsident GDWS, Bonn
Exzellent: Können wir jetzt von einer positiven Situation ausgehen, nämlich der, dass die Beschäftigung der WSV mit sich selbst zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen ist, oder nahe davor steht?
Prof. Witte: Wir befinden uns mitten im größten Umbauprojekt unserer Verwaltung. Wir machen das quasi während des laufenden Geschäfts, so dass keine Aufgabe liegen bleibt. Die GDWS ist eingerichtet. Derzeit läuft der Prozess der Ämterreform: Aus 39 Ämtern werden 17. Anfang 2019 werden die ersten drei Reviere auf die neue große Struktur umgestellt sein, dann gehen wir sukzessive weiter vor. Die Reform ist also auf einem hervorragenden Weg, das Engagement ist groß.
Exzellent: Verändern sich die Aufgaben der WSV? Wenn ja, in welche Richtung?
Prof. Witte: Zurzeit wird das Thema „Blaues Band Deutschland “ diskutiert und auch das Thema „Wassertourismus“. Es geht um die Frage: Wie können die 2.800 km Bundeswasserstraßen im Binnenbereich, die für den Gütertransport keine große Rolle mehr spielen, weiterentwickelt werden. Damit in Verbindung wird auch über die zukünftige Zuständigkeit für den wasserwirtschaftlichen Ausbau der Bundeswasserstraßen gesprochen.
Exzellent: Die Durchführung der Aufgaben wird sich aber schon verändern. Bis 2020 sollen Bauvorhaben auf BIM-Basis (Building-Information-Modeling) erfolgen. Ist dies ein reales Vorhaben?
Prof. Witte: Ja, das ist es. Es ist aber ein längerer Weg dorthin. Wir werden bis 2020 ein Pilotprojekt dazu auf den Markt bringen.
Exzellent: Welche Bedeutung hat und wird die Nutzung von Elektronik und IT haben? Die Installierung von Fernsteuerzentralen, wie Mitte des Jahres in Anderten, ist hierfür ein interessanter Hintergrund.
Prof. Witte: Wir werden die Digitalisierung für unsere Bauwerke nutzen und weitere Leitzentralen einrichten. Ziel ist es, eine Effizienzsteigerung zu erreichen und auch eine bessere Überwachung der Anlagen. Das ermöglicht uns jederzeit einzugreifen, wenn es nötig ist. Damit wird sich das Arbeitsfeld unserer Beschäftigten nachhaltig verändern. Die Mitarbeiter/Innen arbeiten also jetzt und zukünftig in den Leitzentralen und nicht mehr auf der Schleuse. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass Mitarbeiter/Innen, sofort auf der Schleuse sind, falls einmal etwas passieren sollte. Dies alles verändert die Aufgaben. In der Summe aber ist es eine Effizienzsteigerung. Zum Beispiel auch deshalb, weil wir bei den Schleusenzeiten flexibler sein können und die knappen Personalressourcen sinnvoller einsetzen können.
Exzellent: Durch die Zentralisierung von Funktionen, wie zum Beispiel mit den geplanten Leitzentralen, sind die Wasserstraßen mit ihrer IT angreifbarer denn je. Wie bewusst ist Ihnen dieses Problem?
Prof. Witte: IT- Sicherheit ist elementar für unsere Anlagen. Natürlich bauen wir die entsprechenden Sicherheitsstandards ein, auch in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Ein Beispiel sind die Verkehrszentralen an der Küste. Hier haben wir die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen bereits umgesetzt. Zudem sind unsere Schleusen, Wehre usw. redundant ausgelegt. Die Verkehrszentralen an der Küste können bei Bedarf ohne Probleme von uns sofort an einen anderen Standort aufgeschaltet und von dort betrieben werden.
Exzellent: Ein großer Logistikverband hat die Regierung aufgefordert, bei den Verkehrswegen Schiene und Straße endlich zu handeln. Wasserstraßen blieben außen vor. Was tut die Verwaltung, um den nötigen Stellenwert zu erlangen?
Prof. Witte: Wenn wir uns die Wassersituation am Rhein betrachten, wo im Moment historische Niedrigwasserstände erreicht werden, sehen wir, welche große Bedeutung Wasserstraßen haben. Die BASF bekommt im Moment nur noch 20 % der Güter, die sie benötigt, weil der Wasserstand zu niedrig ist. Anderen Firmen oder Unternehmen geht es nicht anders. Üblicherweise sind die Wasserstraßen immer vorhanden und nutzbar. Die jetzige Situation macht nun ganz nachdrücklich die Bedeutung der Wasserstraßen deutlich. Das wird an der Küste stärker wahrgenommen als im Binnenland. Aber daran, dass die Wichtigkeit der Wasserstraßen auch dort wahrgenommen wird, arbeiten wir intensiv.
Exzellent: Wird die WSV als die kompetente technische Verwaltung auf politischer Seite umfassend wahrgenommen?
Prof. Witte: Ja.
Exzellent: Wieso ignoriert man dann seit vielen Jahren die aufgezeigte Notwendigkeit der Instandhaltung der Wasserstraßen zum Beispiel durch Personalverknappung?
Prof. Witte: Wir befanden uns in einer Situation, die die Gesellschaft, über unseren Deutschen Bundestag, in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten auf den Weg gebracht hatte. Da wurde der öffentliche Dienst nachhaltig reduziert. Wenn man sich aber die beiden letzten Legislaturperioden ansieht, hat die WSV bereits wieder mehr Stellen für die Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte bekommen. Auch die Finanzmittel, die für Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, sind gewachsen. Allerdings muss man wissen, dass die komplexen Bauvorhaben bei Wasserstraßen immer einen mehrjährigen Vorlauf für die Planungen benötigen. Außerdem muss neues Personal erst einmal eingearbeitet werden, was auch zwei drei Jahre dauert. Wir sind dieses Jahr nun in einer Situation, in der wir deutlich mehr umsetzen werden, als es in den Jahren zuvor möglich war.
Wir haben als GDWS im Blick auf die Instandhaltung unserer Anlagen zuerst eine Bestandsaufnahme der notwendigen Maßnahmen an unseren Bauwerken gemacht. Das sind 1.200 Vorhaben. Diese haben wir danach nach systemkritischen Bauwerken sortiert. Dazu zählen Pumpen, Düker und Wehre und auch Schleusen. Jetzt sorgen wir dafür, dass alles, was systemkritisch ist, umgehend mit Personal besetzt wird, um die Aufholjagd, zu der wir aufgebrochen sind, zu gewinnen.
Exzellent: Die Realisierung eines Bauvorhabens über alle Stufen dauert unglaublich lange. Welche Strategien zur Verkürzung schlagen sie vor?
Prof. Witte: Wir sind natürlich an alle gesetzlichen Vorgaben gebunden, z.B. Fristen in Planfeststellungsverfahren, an Europarecht etc. Was wir aber zusätzlich machen ist, die Bevölkerung soweit als möglich im Vorfeld frühzeitig mit einzubinden – transparent sein, Anregungen aufnehmen, runde Tische installieren, also im Vorfeld aktiv sein. Zurzeit ist es so, dass wir aufgrund der Personalstärke den überwiegenden Teil der Planung extern vergeben. Das ist auch in Ordnung so. Um den Prozess zu beschleunigen, wollen wir Planung und Bau in eine Hand geben – ein Modell, das in den Niederlanden erfolgreich umgesetzt wird. Das sind Bereiche, in die wir jetzt einsteigen. Eine andere Maßnahme ist die Implementierung von Streitschlichtungsverfahren, um Auseinandersetzungen vor Gericht zu vermeiden. Also von vornherein wird vertraglich festgelegt werden, dass wenn es zu Uneinigkeiten zwischen Auftraggeber und -nehmer auf der Baustelle kommt, sofort ein Streitschlichtungsverfahren aufgenommen wird. Wichtig dabei ist, dass währenddessen weitergebaut wird! Ich erwarte von diesen Maßnahmen auch, dass das Vertrauen aller am Bau Beteiligten wieder wächst, dass sie sagen „wir wollen bauen“ und nicht „wir wollen streiten“.
Exzellent: Wenn die Ausschreibungen abgeschlossen sind, entscheidet der Vergabeausschuss und das oft nach dem billigsten Angebot. Und leider öfters mit schlechtem Bauergebnis. Wie kann diese Situation verbessert werden?
Prof. Witte: Natürlich gehen wir in die Richtung, dass die Qualität und die Qualifikation der Baufirmen im Vordergrund stehen. Denn der Beste soll bauen. Wir wollen auch die Wertungskriterien für die Angebote anpassen soweit es die Vergabeverordnung zulässt. Das wird den entsprechenden Erfolg bringen.
Exzellent: Was macht die WSV attraktiv für Menschen, die dort arbeiten?
Prof. Witte: Es sind die vielfältigen und spannenden Aufgaben und Projekte am und auf dem Wasser, die die WSV für andere und unsere Beschäftigten so interessant macht.
Exzellent: Wie will die WSV qualifiziertes Personal gewinnen?
Prof. Witte: Wir gehen bei der Personal- und Nachwuchsgewinnung verschiedene Wege. Aktuell läuft z.B. ein dualer Studiengang an der Hochschule Koblenz, in dem angehende Ingenieure Wasserbau lernen und den Bachelor in Bauingenieurwesen erwerben Darüber hinaus haben wir einen dualen Studiengang in Bochum ins Leben gerufen, in dem Verwaltung und Bauingenieurwesen gelehrt werden. Und wir haben aktuell in Hamburg in Kooperation mit der Helmut Schmidt Universität, Universität der Bundeswehr einen Masterstudiengang Bauingenieurwesen eröffnet, wo wir Nachwuchskräfte ausbilden und an uns binden. Auch im handwerklichen Bereich bilden wir aus. Etwa 7 % unserer Beschäftigten sind Auszubildende. Ihnen wird nach erfolgreicher Ausbildung in der Regel eine feste Anstellung angeboten. Und wir stärken die Weiterqualifikation im Job. So versuchen wir, gut ausgebildete und engagierte Fachleute an die WSV zu binden.
Exzellent: Welche Perspektiven hat ein Neuer/eine Neue in der WSV? Wie verläuft sein/Ihr Aufstieg?
Prof. Witte: Wir bieten einen interessanten und sicheren Job, völlig unabhängig von konjunkturellen Entwicklungen, und diese Tatsache scheint auch sehr interessant zu sein. Auf die fast 70 Stellen für Investitionsprojekte, die wir im vergangenen Jahr ausgeschrieben haben, haben wir dreimal so viel Bewerbungen erhalten. Natürlich sind wir an die Bedingungen des Tarifvertrages gebunden. So verläuft der Aufstieg nach Eignung und Leistung und natürlich nach der Verfügbarkeit offener Stellen, wobei gerade bei Leitungspositionen dann auch eine räumliche Flexibilität erforderlich ist.