TÜV NORD Dialog 2014
Zeit- und Kostenüberschreitungen, Pannen, Widerstand in der Bevölkerung: Deutsche Planungskompetenz und Ingenieurskunst drohen bei Großprojekten in Verruf zu geraten. Überdecken Negativ-Beispiele wie die Elbphilharmonie, der Großflughafen BER und die Einführung der Lkw-Maut die Umsetzung vieler erfolgreicher Projekte oder müssen Infrastrukturvorhaben insgesamt wieder auf das richtige Gleis gesetzt werden?
Diese Fragen diskutierten beim TÜV NORD Dialog unter anderem Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller, Klaus Grewe, Planungskoordinator für die Olympischen Spiele in London 2012, und Rudolf Wieland, bei TÜV NORD verantwortlich für große Industrievorhaben.
Eine laufende Studie der Hertie School of Governance zeigt: Zeit- und Kostenüberschreitungen bei Großprojekten sind ein internationales Phänomen. Die größten Zeitverzögerungen und Preissteigerungen seien beim Bau öffentlicher Gebäude und bei Energie-Großprojekten zu verzeichnen. Insbesondere bei Vorhaben der Informations- und Kommunikationstechnik nehmen die Probleme zu, erklärte Prof. Dr. Genia Kostka. In ihrer Studie, die im Herbst 2015 erscheint, analysiert die Hertie School of Governance 146 Großprojekte in Deutschland. Im Vergleich bundesweiter Großprojekte schneidet Berlin besser ab als andere Städte, hier fallen die Zeit- und Kostenüberschreitungen etwas geringer aus als im Durchschnitt. Den oft zitierten negativen Beispielen Großflughafen und Hauptbahnhof steht unter anderem der Neubau des Bundesministeriums des Innern gegenüber.
Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller sprach sich dafür aus, neue Großprojekte auch in Zukunft anzugehen. Klaus Grewe, Mitglied der Reformkommission Bau von Großprojekten, betonte mit Blick auf eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024: „Entscheidend ist, dass die Sportstätten nach den Spielen die Stadtentwicklung voranbringen. Nur so werden die hohen Investitionen von den Bürgern akzeptiert.“
Guido Rettig, Vorsitzender des Vorstands der TÜV NORD GROUP, wies auf gelungene Großprojekte hin und nannte den Tunnel unter dem Berliner Tiergarten sowie die Fußball-WM im eigenen Land 2006. „Deutschland hat technologisch und wirtschaftlich alle Möglichkeiten, auch bei Großprojekten Weltmeister zu werden.“ Rudolf Wieland, bei TÜV NORD verantwortlich für große Industrievorhaben, sagte: „Wir brauchen mehr Transparenz und Verlässlichkeit bei Terminen und Kosten von der Planung bis zur Übergabe. Dafür sind künftig Verbesserungen beim Projektmanagement ebenso notwendig wie realistische Kalkulationen. Eine nachvollziehbare, fachkundige und detaillierte Vorplanung, Erkundung und Überwachung sind zentrale Faktoren für das Gelingen.“